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27. Januar 2020

Nur 500.000 Euro für hohe Querschnittslähmung – fast schon skandalös!

OLG München (Urteil vom 23.1.2020) verhaftet an imaginärer Schmerzensgeldobergrenze.

Die heute 27-jährige Klägerin, ist seit ihrem 15. Lebensjahr vom vierten Halswirbel ab gelähmt und sitzt seither im Rollstuhl. "Die Klägerin hat ihr Geh- und Stehvermögen vollständig eingebüßt und auch die Beweglichkeit der Arme und Hände ist stark eingeschränkt", teilte das Gericht mit.

Ursache für diese - mit zu den schwerwiegendsten zählende - Verletzung waren grobe Behandlungsfehler während einer Rückenoperation, bei der die Ärzte einen Katheter, der in die Vene einzuführen war, stattdessen in den Spinalkanal des Rückenmarks gelegt hatten -  was den behandelnden Ärzten zunächst nicht einmal auf Röntgenbildern aufgefallen war.

Erneut verhaftet ein Oberlandesgericht (weitere Beispiele siehe Schmerzensgeld 2020 – Handbuch und Tabellen 16. Auflage Kapitel V. 3 Schwerstverletzungen Seite 129 ff) an einer seit Jahren gepflegten Obergrenze, die es jedoch – dies kann gar nicht oft genug gesagt und geschrieben werden – nicht gibt!

Im Gegenteil: Gerade für derart schwere, das Leben des Opfers und dessen Angehörige von einem auf den anderen Tag komplett verändernde Verletzungen, wie Querschnittslähmungen, Erblindungen, Amputationen von Armen und Beinen sowie insbesondere auch Gehirnschädigungen, erfordern ein weitaus höheres Schmerzensgeld.

Darauf hatte nicht nur der 52. Deutsche Verkehrsgerichtstag (der nun vom 29. bis 31. Januar erneut in Goslar zusammenkommt) hingewiesen sondern auch eine Reihe von Oberlandes- und Landgerichten, die - anders als vorliegend das OLG München - insofern weiter denken. Besonders klar und deutlich hat sich insoweit das LG Bochum geäußert und ausgeführt:

"Es ist kein Zufall, dass Leben und körperliche Unversehrtheit nach dem Generaltatbestand des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als erstes Grundrecht im Grundrechtskatalog genannt werden, noch vor dem Grundrecht auf Freiheit der Person. Ohne Leben und körperliche Unversehrtheit sind alle anderen Rechte nichts wert", betonte das LG und forderte, dass "die Schmerzensgeldbeträge deutlich angehoben werden müssen".

Wer nun meint „was interessiert uns denn, was das LG Bochum sagt“, der sollte sich einmal mit den Verletzten derartiger Schweregrade und deren Angehörigen unterhalten und sich zudem klar machen, dass 500.000 Euro bereits vor 15 Jahren für derartige Verletzungen ausgesprochen wurden, - zu einer Zeit, wo es hierauf noch 6,3% Zinsen gab und somit aus dem Kapital jährlich gut 31.000 Euro Zinsen zu erzielen waren, was einem monatlichen Zinsertrag von 2.625 Euro entsprach. Heute dagegen müssen zum Teil 0,5% Strafzinsen gezahlt werden, - monatlich also 208 Euro.

Positiv zu erwähnen ist insofern die von mir unter AKTUELLES 17. Nov. 2019 kommentierte Entscheidung des LG Gießen (Urteil vom 7.11.2019 – 5 O 376/18), welches – unter anderem auch das Thema der Niedrigzinsphase aufgreifend – in einem Fall schwerster Gehirnschädigung immerhin 800.000 Euro zuerkannt hatte. Auch hier wäre sicher noch Luft nach oben gewesen, doch immerhin hat sich das Landgericht Gießen sowohl hinsichtlich  der Schmerzensgeldhöhe als auch der aktuellen Situation in der wir uns befinden gute Gedanken gemacht und diese zum Wohle des Opfers umgesetzt.

Insoweit sind alle Richter und Richterinnen aufgerufen, bei derart schweren Verletzungen nicht an tradierten und vor allem nicht existierenden Obergrenzen zu verhaften sondern mutig und mit der Zeit gehend die Türe für deutlich höhere Schmerzensgeldbeträge aufzustoßen.

Andreas Slizyk

Rechtsanwalt

 

 

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