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21. Januar 2020

Geht’s noch? Kein Schmerzensgeld – trotz übler Schmähkritik an einem Richter.

OLG Brandenburg (Urt. v. 28.10.2019 – 1 U 15/19) verliert Bodenhaftung

Was war geschehen?

Der Kläger ist Richter am Sozialgericht …, der Beklagte ist ein unter anderem im Raum … tätiger Rechtsanwalt.

Der Rechtsanwalt – den Begriff „Kollege“ vermeide ich an dieser Stelle bewusst – hatte in einem an das Sozialgericht gerichteten Schriftsatz unter anderem ausgeführt, der Richter sei der „… überaus dämlichste und stinkend faule Richter" am Sozialgericht sowie "zu faul zum Arbeiten" und "in der so eingesparten Arbeitszeit vögelt er lieber mit Praktikantinnen" und zudem nehme er auch noch Geld vom Jobcenter. Ähnlich äußerte er sich zudem auf seiner Facebook-Seite und beschimpfte den Richter als – so wörtlich und zudem noch grammatikalisch unrichtig – „elendes Dreckspack, was sich in den hinter der Richterrobe versteckt“ und forderte seine Leserschaft / Follower auf „dem Einhalt“ zu gebieten.

Wie entschied das LG Cottbus?

Völlig zu Recht sah sich der Richter in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt und verklagte den Anwalt vor dem LG Cottbus auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes. In erster Instanz obsiegte er insofern auch. Das LG Cottbus bewertete die Polemik des Beklagten wie folgt: „Soweit es die Äußerung, der Kläger trete seine richterlichen Aufgaben mit Füßen betreffe, handele es sich um eine Meinungsäußerung, die die Grenze zur Schmähkritik überschreite. Insbesondere angesichts der streitgegenständlichen Vorwürfe, der Kläger habe im Gericht Geschlechtsverkehr mit Angestellten und nehme Geld vom Jobcenter, sei insgesamt ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000,00 € angemessen“.

Wie urteilte das OLG Brandenburg?

Das OLG (Urt. v. 28.10.2019 – 1 U 15/19) wies die Klage ab und argumentierte – offensichtlich in völliger Unkenntnis oder Fehlinterpretation der diesbezüglichen Rechtsprechung (vgl. BVerfG NJW 1987, BVerfG NJW 2004, 2371; 2661 OLG München NJW-RR 1998, 1036, LG Düsseldorf BeckRS 2019, 8491 ….) und Literatur (Schmerzensgeld 2020, Handbuch und Tabellen, Kapitel V.1.) offensichtlich im Glauben, es handele sich bei den „Äußerungen“ des Beklagten um eine Satire  – es liege hier eine noch von der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gedeckte Meinungsäußerung und noch keine die Meinungsfreiheit verdrängende Schmähkritik vor, denn "... Das Recht, Maßnahmen der öffentlichen Gewalt ohne Furcht vor staatlichen Sanktionen auch scharf kritisieren zu können, gehört zum Kernbereich der Meinungsfreiheit, weshalb deren Gewicht insofern besonders hoch zu veranschlagen ist. Die Meinungsfreiheit erlaubt es insbesondere nicht, den Äußernden auf das zur Kritik am Rechtsstaat Erforderliche zu beschränken und ihm damit ein Recht auf polemische Zuspitzung abzusprechen". Zudem stünden die  Äußerungen "in unmittelbarem Zusammenhang mit den seitens des Beklagten am Sozialgericht … geführten Verfahren und lassen sich nicht sinnerhaltend aus diesem Kontext lösen" und "im Übrigen beziehen sie sich ausschließlich auf die berufliche Tätigkeit des Klägers und lassen seine Privatsphäre unberührt".

Dem ist scharf zu widersprechen – und zwar aus folgenden Gründen:

Zum einen geht bereits die Annahme des OLG, die Äußerungen bezögen sich „ausschließlich auf die berufliche Tätigkeit des Klägers“ fehl, sofern diese das Sexualleben des Klägers betrifft. Die Behauptung des Beklagten, die dieser sowohl via Facebook als auch schriftsätzlich kundgetan hatte, bezog sich eindeutig und ohne jegliche abweichende Interpretationsmöglichkeit auf das Privatleben des Klägers.

Zum anderen stand bei den in diesem Rechtsstreit unbestrittenen Äußerungen des Beklagte nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern eindeutig die Herabsetzung der Person und die Diffamierung des Klägers im Vordergrund, die - jenseits polemischer und überspitzter Kritik - den Kläger in erster Linie herabsetzen bzw. gleichsam an den Pranger stellen sollte, so dass eine solche Äußerung als Schmähung anzusehen und somit (vgl. BGH NJW 2009, 1872) als nicht mehr von der Meinungsfreiheit gedeckte, entschädigungslos hinzunehmende Meinungsäußerung zu werten ist.

Schließlich geht auch der Verweis des OLG Brandenburg auf BGH NJW 2009, 1872 fehl. Denn der BGH hat in dieser Entscheidung klar dargelegt, dass Äußerungen wie „Lüge”, „Täuschung”, „Vertuschung” oder „Korruption” nur dann durch Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt sein und deshalb in vollem Umfang am Schutz des Grundrechts aus Art. GG Artikel 5 GG Artikel 5 Absatz I GG teilnehmen können, wenn sie in einem kritischen Artikel enthalten sind, in dem es um eine Auseinandersetzung mit einem wirtschaftlichen Vorgang in einem Unternehmen geht, das teilweise im Staatseigentum steht und erhebliche Verluste in einem Projekt erlitten haben soll.

Doch ein solcher Sachverhalt lag hier, in dem - von den OLG-Richtern zu entscheidenden - Fall nicht vor, weshalb sich mit der, in dieser Entscheidung vom BGH angeführten Begründung gerade nicht herleiten lässt, dass die vom Beklagten (Anwalt) gegenüber dem Kläger (Richter) getroffenen Persönlichkeitsrechtsverletzungen entschädigungslos bleiben.

Andreas Slizyk

Rechtsanwalt

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